Interview mit Eishockey Goalie Andrea Brändli

Wie gehst du mit Phasen um, in denen du keine Spielzeit bekommst?

Ich habe das seit längerer Zeit nicht mehr erlebt, aber früher schon, und das war nicht immer einfach. Das Einzige, was du machen kannst, und was ich immer gemacht habe, ist, dich aufs Training zu fokussieren, Ziele zu setzen, Videoanalysen durchzuführen und mit dem Goalie-Trainer eng zusammenzuarbeiten, um den Workload hochzuhalten und fit zu bleiben. Damit du weisst, woran es liegt und was du machen kannst, um mehr Spielzeit zu erhalten, sind Gespräche mit den Coaches auch immer hilfreich. Manchmal kann es auch sein, dass es nicht an dir liegt, sondern dass ein anderer Goalie einfach eine gigantische Phase hat, und das ist dann auch okay, muss aber klar kommuniziert sein.

Glaubst du, dass ein Goalie das Spiel stark beeinflussen kann? Wenn ja, auf welche Weise?

Ein Goalie kann ein Spiel entscheiden. Natürlich können wir keine Tore schiessen, oder zumindest passiert das sehr selten, und die Mitspieler müssen die Tore machen, damit wir gewinnen. Aber ich sage, dass wir dem Team die Chance geben zu gewinnen. Ein Goalie beeinflusst das Spiel stark, nicht nur, ob man Tore bekommt oder nicht, sondern auch durch die Körpersprache. Wenn man dem Gegner signalisiert „Heute hast du keine Chance“, hat das einen positiven Einfluss auf das eigene Team. Ich setze mir als Ziel, immer eine gute Ausstrahlung zu haben, egal wie es mir geht. Und ich finde, das macht einen extremen Unterschied. Auch wenn ich in den ersten 5 Minuten ein faules Ei kassiere, kann ich entscheiden, wie ich darauf reagiere. Ein Goalie kann ein Spiel gewinnen oder verlieren, so hart es klingt.

Wie fühlst du dich, wenn du nach einem Spiel nicht viel zu tun hattest – ist das eher eine Erleichterung oder frustrierend?

Es kommt immer darauf an, wie der Spielverlauf ist. Ich habe ein sehr gutes Beispiel: Vor ein paar Wochen haben wir ein Spiel nach Verlängerung mit 3:2 verloren, und ich hatte insgesamt vielleicht 15 Schüsse oder noch weniger. Das ist dann mega frustrierend, weil die wenigen Schüsse, die aufs Tor kommen, meistens so gut sind, dass man keine Abwehrchance hat. Das tut weh und ist mega frustrierend. Man hat dann das Gefühl: Habe ich überhaupt irgendetwas gemacht heute? Aber das gehört dazu, manchmal hat man solche Spiele, und manchmal hat man dann auch Spiele, wo man irgendwie 60 Schüsse bekommt und wirklich den Unterschied machen kann. Auch dann kannst du verlieren, aber das Gefühl ist dann einfach viel besser. Es kann auch sein, dass man nur 10 Schüsse bekommt und 3:0 gewinnt – gewonnen ist gewonnen, und dann hat man automatisch ein gutes Gefühl.
Aber grundsätzlich finde ich es immer frustrierend, wenn ich so wenig Schüsse erhalte. Meistens sind das dann Spiele, in denen deine Mitspieler auch noch super gut die Schüsse blocken und dir dann sozusagen noch die Schüsse wegnehmen. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau.
Ich sage es aber auch so: Es kann eine Erleichterung sein, wenn du wenige Schüsse bekommst, vor allem, wenn du keinen guten Tag hast. Ich hatte auch schon Tage, an denen ich mich bereits im Warm-up nicht gut gefühlt habe. Ich war irgendwie zittrig, nervös und fühlte mich einfach nicht gut. In solchen Spielen kann es auch eine Erleichterung sein, wenn du einfache Schüsse oder nur wenige bekommst. Aber meistens sind es genau diese Spiele, in denen man viele und viele schwierige Schüsse erhält.

Bist du eher ein lauter oder leiser Goalie? Weshalb?

Ich bin beides, leise im Sinne von einer extrem ruhigen Ausstrahlung, nicht am Herumschreien und wenig emotional. Auf der anderen Seite bin ich laut, wenn es darum geht, meinen Mitspielerinnen durch klare Kommunikation und Positivität zu helfen. Bei positiven Emotionen kann ich auch laut sein (z. B. mit dem Schiri reden, lachen oder sogar kurz zur Musik tanzen). Ich spiele am besten, wenn ich fröhlich bin, es mir gut geht und ich nicht alles so ernst nehme und einfach eine gute Zeit habe.

Was würdest du einem jungen Goalie, der Profi werden will, mit auf den Weg geben?

Schwierige Frage. Um hierher zu kommen, braucht es extrem viel. Man muss vieles aufgeben, Familie, Beziehungen, Freunde etc. hinten anstellen. Schlussendlich bleiben dir die Leute, die wirklich wichtig in deinem Leben sind, für immer. Aber das kann gerade, wenn man noch jünger ist, weh tun.
Mein Tipp: Bleib dir selber treu. Das ist viel einfacher gesagt als getan, weil man sich schnell anderen anpasst und denkt, man muss jemand anderes sein, um zu spielen. Ich dachte immer, dass der Coach eine spezifische Vorstellung hat, wie sein Goalie sein soll, und habe mich versucht, so zu verändern, damit ich diesen Vorstellungen entspreche, und habe dadurch eigentlich meine On-Ice-Performance ein bisschen geopfert. Ich musste das auf die harte Tour lernen, und es war eine gute Schule, und jetzt geht es mir super.
Vor allem, was die mentale Seite anbelangt, bin ich mit allem im Reinen und mir selber treu. Dadurch habe ich viel konstantere Leistungen, und es ist viel einfacher für die Spielerinnen, sich auf mich zu verlassen, und ich gebe ihnen mehr Sicherheit. Auch wenn ich nicht 7.000 Saves habe, sondern nur 5-10 kleine Schüsse, gebe ich dem Team ein gutes Gefühl und die Überzeugung, dass da jemand im Tor steht, der jedes Spiel gute Leistungen bringen kann. Ich glaube, das war ein langer Weg, und damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt: Es wird ein langer Weg, kein einfacher Weg, aber gib nicht gleich beim kleinsten Widerstand auf. Es kann mal sein, dass du keine gute Saison gehabt hast oder ein schlechtes Spiel oder einen Trainer, der dich aus irgendwelchen Gründen einfach nicht mag. Das sind Dinge, die du nicht kontrollieren kannst, und du solltest auch nicht deine Energie damit verschwenden, darüber nachzudenken, auch wenn das nicht einfach ist. Gib nicht auf, mach einfach weiter, trainiere weiter, bleib dir treu, und dann kommt es schon irgendwie gut.

Beschreibe dein bisheriges persönliches Karriere Highlight:

Karrierehighlights hatte ich viele. Eines meiner Top-Highlights ist, als wir bei den Olympischen Spielen das Viertelfinale gegen das Olympische Russische Komitee gewonnen haben. Das war einer der größten Erfolge. Leider haben wir danach das Bronzespiel verloren.

Je länger die Karriere dauert, desto mehr solcher Momente hast du, und genau dafür machst du es. Für diese Momente, die du ein Leben lang hast. Es ist mega wichtig, dass man sich zwischendurch hinsetzt und darüber nachdenkt, was es alles Gutes gab und nicht immer nur das Negative mitträgt.

Andrea Brändli

Aktuelles Eishockey Team:

MoDo Hockey, SDHL (Schweden)
Schweizer Nationalmannschaft

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